Wanderung Tag 18

Der Tag beginnt grau und verhangen, kein blauer Himmel in Sicht als ich um 5.00 aus dem Zelt schaue. Igor döst im Unterstand und ich beschließe das auch zu tun. Also krieche ich nochmals in den Schlafsack und döse vor mich hin als mich eine Stunde später ein freundliches “Guten Morgen” aus dem Halbschlaf reißt. Ich schaue aus dem Zelt und da steht Alexander mit einem Frühstückstablett. Was für ein Service. Alex und Kerstin fahren heute zu einem Kurs und er kommt sich verabschieden bevor es losgeht. Da ich heute wieder eine kurze Route zur Kamelfarm geplant habe, kann ich mir viel Zeit nehmen und später aufbrechen. Ich trinke meinen Kaffee und kraule Igor, der zu mir gekommen ist. Kalt ist es noch ein bisschen aber ich bin ja auch schon im Waldviertel.

Dann brechen wir schön langsam auf. Wir müssen erst durch den Ort bevor es in den Wald geht. Igor stapft motiviert und munter neben mir her. Er scheint sehr zufrieden zu sein. An einer Kreuzung nehme ich die falsche Abzweigung, merke es jedoch bald und drehe um. Wir müssen die steilere Straße nehmen, die in den Wald führt. Es hat offenbar hier auch in den letzten Tagen geregnet, denn die Straße ist ganz verschlammt. Igor weigert sich den neuen Weg hinauf zu gehen. Ich kann den Grund nicht erkennen und warte zunächst einmal bis er weitergehen mag. Er hat sich aber richtig eingeparkt und geht keinen Schritt. Ich wende alle meine Tricks an um ihn aus der Starre zu bekommen und tatsächlich, er bewegt sich ein paar Schritte. Dann sehe ich was ihn beunruhigt. Zur Absperrung eines Grundstückes von der Straße liegen drei große graue Steine am Boden. Ja genau, mein Esel, der keine Angst vor Presslufthammern, Traktoren, Mähdreschern und sonstigen Maschinen hat, fürchtet sich vor Steinen. Igor weicht soweit es geht an den anderen Rand des kleinen Gässchens aus und beäugt den ersten Stein misstrauisch. Dann bleibt er wieder stehen. Jetzt kann ich nur warten bis er von selbst beschließt, dass der Stein harmlos ist. Es dauert nur kurze Zeit dann ist es soweit. Ein Ruck geht durch Igors Körper, es sieht aus als würde er mit der Schulter zucken, dann geht er schnurstracks an den Steinen vorbei. Gottseidank, denn im Waldviertel wird das noch öfter vorkommen.

Der Weg ist gatschig aber die Strecke durch den Wald wunderschön. Ein bisschen steil aber nicht allzu sehr und vor allem nicht lange. Alle Menschen, denen ich begegne sagen mir, dass ich unbedingt bei Anita vorbeischauen soll. Sie macht die Wachauer Eselabenteuer und ich kenne sie nur von Facebook. Als wir vor 12 Jahren die ersten Esel bekamen, hab ich viel recherchiert wer noch Esel in Österreich hat und bin auf sie gestoßen. Man kann unter anderem den Eselführerschein bei Anita machen. Da mein Weg zu Gerdas Kamelfarm direkt an Anitas Eseldomizil vorbeiführt, bleibe ich stehen und wir lernen ihre Eselbande kennen. Sie hat gerade einen Bus mit einer Ausflugsgruppe aus der Steiermark bei sich und Igor stiehlt ihren kleinen Eseln kurz die Show.

Dann geht es eine kurze steilere Strecke ins Eitental. Igor läuft wie immer frei im Wald und ich gehe bergab voraus. Als ich fast unten bin drehe ich mich zu ihm um. Er steht noch oben und ich ahne Übles. Igor liebt es bergab zu galoppieren. Normalerweise kein Problem, er ist total trittsicher, spürt sich und hat ein ausgezeichnetes Gefühl für seinen Körper. Aber heute hat er die Packtaschen umgeschnallt. Und schon geht's los. Igor saust den Weg herunter und so gut kann ein Sattel gar nicht sitzen, rutscht er nach vorne und Igor hat die Taschen an den Schultern. Er schaut verdutzt als er bei mir unten ankommt. Da wir ja mittlerweile Routine haben, dauert das Abschnallen der Taschen, die Ausrichtung des Packsattels und das wieder anklippen der Taschen 5 Minuten und Igor steht dabei vollkommen ruhig auch ohne angehängt zu sein.

Und dann sind wir auch schon angekommen. Schon von den letzten Metern des Waldweges aus hören wir die Kamele. Igor reagiert nicht darauf. Wir betreten das Gelände und ich finde mich sofort zurecht. Gerda hat mir genau beschrieben wo ich Igor unterbringen kann. Eine schöne Koppel mit großer Wiese und einer gefüllten Heuraufe in der Mitte. Sie selbst kommt etwas später, weil sie mit zwei ihrer Kamele bei einer Veranstaltung ist. Ich nehme Igor die Taschen und den Sattel ab und führe ihn auf die Koppel. Gleich nebenan kommen 10 Kamele um uns zu begutachten. Igor schaut sie kurz an, dann legt er sich hin um sich vor den Kamelen ausgiebig zu wuzzeln.

So eine coole Socke mein Esel. Bald darauf kommt Gerda, die genauso eine coole Socke ist, wie ich mir das am Telefon schon gedacht habe. Zielstrebig, selbstbewusst, herzlich und total interessiert an Igor und an unserer Reise. Gestern hat sie mir ihrer Familie ihren fünfundsiebzigsten Geburtstag gefeiert.

Dann kommen auch schon die Nachbarn, die meinen Einzug mit Igor gesehen haben und wenig später auch Gerda's Schwestern mit ihren Ehemännern und der Neffe mit seiner Frau. Wir sitzen im Hof um einen Tisch und Igor ist mit dabei. Gerda hat auch eine kleine Eselin namens Mucki, die unbedingt zu Igor möchte. Da Igor überhaupt nicht dominant ist und noch niemals aggressiv war, lassen wir Mucki auch in den Hof zu Igor. Die beiden verstehen sich blendend und sehen aus wie Don Quichotte und Sancho Pansa. Ich erzähle sehr viel von mir und meiner bisherigen Reise, von Igor und Hof-Sonnenweide. Es ist schön wie interessiert alle an meinem Leben sind obwohl ich ihr Leben mit den Kamelen und all den anderen Tieren, der Gummiwaren Fabrik mit den 23 Angestellten schon auch sehr aufregend finde. Die Fabrik leitet Gerda ebenfalls selbst und ihr Mann macht den Vertrieb.

Wir essen gemeinsam zu Abend und Igor sucht sich eine Ecke, und parkt sich dort ein um zu dösen. Auch ich muss immer öfter gähnen und ich werde müde. Es ist mir etwas peinlich denn alle anderen wirken noch fit.

Als wir darüber reden wann ich am nächsten Tag aufbrechen werde, fragt Gerda mich ob ich nicht noch einen Tag bleiben möchte. Auch gerne noch länger, wenn ich will. Ich muss nicht lange überredet werden und stimme schnell zu. Ich habe beim Duschen auch schon die Waschmaschine gesehen und mit ihr geliebäugelt. Meine Hose und die Socken haben eine ordentliche Wäsche bitter notwendig.

Dann ist es endgültig an der Zeit für mich schlafen zu gehen. Mucki darf bei Igor bleiben und so ziehen wir auf unsere Koppel. Gerda hat mir ein Zimmer angeboten, aber ich möchte lieber im Zelt bei den Eseln bleiben und freue mich aufs Aufwachen mit den Kamelen. Ich höre Igor und Mucki um mein Zelt gehen und schlafe bald darauf selig ein. 

 

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