Wanderung Tag 38

 

Um 3.30 werde ich vom Regen und von Donner gefolgt von Blitz geweckt. Ich schaue sofort aus dem Fenster, Igor steht im Regen und nicht im Innenbereich seines Paddocks. Ich schlüpfe in meine Schlapfen und laufe mit Führstrick und Halfter hinaus zu Igor. Ich versuche ihn in die Box zu bekommen, habe aber keine Chance. In der Zwischenzeit bin ich auch klatschnass und stehe mit den Schlapfen in Pferdekacke. Ich gebe auf und gehe wieder hinein. Trockne meine Füße und versuche wieder einzuschlafen. Immer wieder frage ich mich aber warum Igor nicht in die Box geht. Warum hat er plötzlich Angst vor Innenräumen? Auch in unserem vorigen Stall, wollte er nicht ins Innere gehen. Das war allerdings nachvollziehbar, den dorthin führte ein etwas dunklerer, Gang bergab ins „Unbekannte“. Trotzdem, eigenartig ist es schon finde ich. Natürlich beziehe ich wieder alles auf mich selbst. Vertraut mir Igor einfach nicht mehr?

 

Um 5.30 Uhr, als ich endgültig aufstehe, ist das Gewitter längst vorbei, aber ich quälte mcih immer noch mit Gedanken über Igors mögliche Phobie vor Innenräumen. Da ich in einem Seminarraum bin in dem Karteikarten herumliegen stelle ich die Thematik aus. 

 

Ich schreiben „Ich“ „Igor“ Innenräume“ „Angst“ und noch so einige Elemente auf die Karten und lege sie am Boden auf. Dann stelle ich mich drauf und kann nicht wirklich etwas interessantes erspüren. Erst als ich auf den Bodenanker „Ich“ steige und gegen eine Wand schaue, schießt mir der entscheidende Gedanke durch den Kopf. „Du brauchst dich gar nicht über Igor wundern,“ sage ich mir selbst. „Gestern wurde dir eine feines Gästezimmer angeboten, mit angrenzendem Bad und weichem, schon überzogenen Bett. Und was machst du? Schläfst am Boden im Senimarraum auf deiner Isomatte.“  Ich muss lachen über diese Gedanken. Klar, ich brauch mich nicht über Igor zu wundern, wenn ich selbst so bin. Und wie weggeblasen ist mein Trübsal. „Lass deinen Esel so sein wie er möchte und entscheiden wie er das für richtig hält“, denke ich mir.   

 

Dann ziehen wir los. Zuerst geht es durch die Au, dann aber führt die Route viel über Straßen, die zwar wenig befahren sind aber dennoch durch viele kleine Orte führen. Das ist nicht so besonders prickelnd aber manchmal ist es eben so. Ein Weg, den mir meine Komoot App anzeigt ist wieder einmal nicht vorhanden, aber sonst geht alles ganz gut. Als ich an einem großen Bauenhof vorbeigehe, zeigt mir das Navi an das der Weg zwischen den Gebäuden verläuft. Ein etwas 35 Jahre alter Mann ist gerade dabei die Bäume mit dem Freischeinder auszumähen und hört mich nicht. Ich mache mich bemerkbar um zu fragen ob es in Ordnung ist wenn ich seine Straße benutze. Er sieht mich mit dem Esel, stellt den Freischneider ab und beginn Fragen zu stellen. 

Ich mag es sehr wenn die Menschen an Igor interessiert sind und fühle mich überhaupt nicht genervt davon. So auch jetzt als ich merke das der Mann gerade eine völlig neue Welt betritt. Er kann es nicht fassen das ich als Frau alleine unterwegs bin. Wie das mit dem Duschen und Essen ist. Wo ich übernachte, was mein Mann dazu sagt und wie ich das alles aushalte. Immer wieder schüttelt er fassungslos den Kopf, aber ich bemerke keineswegs Missbillligung sondern eher den Versuch das zu verstehen was ich da mache.  Ich erzähle ihm auch vom Auslöser der Reise, dem viel zu frühen Tod einer unserer Tierpatinnen. Das lässt ihn sichtlich nachdenklich werden und er sagt. Ja, das Leben ist eh viel zu kurz und gleitet oft nur so an uns vorbei. Igor und ich verabschieden uns und ich freue mich über dieses schöne Gespräch. 

 

Das letzte Stück führt durch den Wald. Ich telefoniere mit meinem Gastgeber der mir den Weg zum Stall beschreibt bzw. zum Gartenhäuschen in dem ich mit Igor übernachten darf. In den Stall selbst darf Igor nicht, weil sie schon negative Erfahrungen mit Eseln gemacht haben. Sie machen die Pferde komplett narrisch, so die Stallbesitzerin bei unserem Telefonat. Mir ist das recht. Solange wir eine schöne Wiese haben, Igor Heu und Wasser bekommt ist es mir egal wo wir übernachten. Bei der Wegbeschreibung fällt der Satz „Nach der Furth“ und ich denke mir noch nicht viel dabei. Auch auf meiner Navi-App ist so ein komisches Zeichen mitten im Fluss das ich noch nicht kenne. Zur Sicherheit suche ich schon mal ob es auch eine Alternative zur Überquerung der kleinen Erlauf gibt, falls sich das Zeichen als Hängebrücke oder so herausstellt. 

 

Als wir dann vor dem Fluss stehen weiss ich was es bedeutet. Wir müssen durch, und zwar zu Fuß und über mindestens 15 Meter. Igor ist etwas hinter mir und frisst noch am Wegesrand. Ich drehe mich nicht mehr zu ihm um, ziehe mir schnell Schuhe und Socken aus und gehe in die Furth. Die Steine sind glitschig und ich bin damit beschäftigt nicht auszurutschen mit meinem schweren Rucksack am Rücken. Da ist die komplette Technik drinnen, das wäre echt blöd. Erst als ich durch bin drehe ich mich zu igor um und sehe zu meiner riesen Freude das er mir bereits gefolgt ist. Er stapft mitten durch den Fluss, setzt seine Beine bedächtig und macht das weit eleganter als ich. Ich schaffe es noch mein Handy zu zücken und ihn bei den letzten Metern zu filmen. Ich freue mich so über meinen tapferen Esel. Dann sehe ich auch schon die ersten Wiesen unserers Gastgebers mit der Gartenhütte. Das ist ein kleines Blockhaus, wunderschön und mit Blumen umgeben. Davor eine saftige Wiese. Ein Traumplatz und ich freue mich das sie uns im Stall nicht haben wollten. Mein Gastgeber kommt zu uns und zeigt mir alles. Ich darf die Hütte benutzen in der es Dusche und WC gibt, außerdem jede Menge Vorräte an Chips und Bier von der letzten Geburtstagsfeier. 

 

Ich begnüge mich mit Wasser und freue mich an diesem schönen Platz. Mein Gastgeber hat weniger Bedenken wegen Igor als seine Frau und so gehe ich mit ihm in den etwas oberhalb gelegenen Einstellbetrieb und hole Heu. Mein Gastgeber macht mir einen Kaffee und holt mir Semmeln und Aufstriche. Er entschuldigt sich das seine Frau heute nicht da ist, die sonst für das Essen zuständig ist. Ich bin aber sehr zufrieden und verziehe mcih mit Igor wieder in unseren Privatbereich der viel schöner und ruhiger ist als die Hektik im Einstellbetrieb.

Am Nachmittag schaut mein Gastgeber noch bei mir vorbei. Ich zeige ihm die Route zu Margit, unserer nächsten Gastgeberin. Sie führt mitten durch Purgstall durch und ich möchte abchecken ob das mit einem Esel machbar ist. Es führen einige schmale Wege der Erlauf entlang die ich nicht ganz deuten kann. Er sieht sich die Route mehrfach an und  bescheinigt mir dann das es mit Esel machbar ist. Ich schaue auch nochmals genau, sehe einen Weg der Teufelsweg heißt und habe trotz der Versicherung so meine Zweifel an der Begehbarkeit mit Esel. Aber er versichtert mir immer wieder das es kein Problem sei und außerdem ist es die kürzeste Route.

Na ja, dann wird das schon passen, denke ich mir. Ich genieße den Abend alleine mit Igor. Meine Gastgeber sind bei einer Sonnwendfeier und ich habe meine eigene kleine Feier mit Igor in dem wunderschönen Ambiente. Neben dem Grundstück fließt die Erlauf und ich gehe mit Igor hinunter um mir die Füße zu kühlen. Igor ist daran nicht so sehr interessiert und so sind wir bald wieder auf seiner Wiese. 

 

Ich esse die Semmeln mit den Aufstrichen, überlege mir noch eine Packung Chips zu gönnen und entscheide mich dagegen. Trotz vieler anderslauternder Prognosen habe ich überhaupt keinen Gusto auf ungesundes essen. Schon bei Gerda, auf der Kamelfarm hab ich mir überlegt von den vorhandenen Chips zu nehmen und  mich auch dort dagegen entschieden. Das  Gefühl von so viel Salz im Mund und im Magen gefällt mir nicht. Deshalb futtere ich noch einen meiner Müsliriegel als Nachspeise, das ist besser für mich. Ich finde es sehr spannend das der Körper mir so deutlich sagt was ihm unter permanenter Anstrengung gut tut und was nicht. Zu Hause hätte ich ohne Bedenken die Packung Chips verputzt, aber da muss ich am nächsten Tag auch nicht topfit sein.

Wie immer habe ich mein Zelt bei Igor auf der Wiese aufgeschlagen und verzichte auf das Gästezimmer in der Hütte. Es ist schön zu wissen das ich in der Früh ein WC habe und mich nochmals duschen kann, aber schlafen möchte ich doch bei Igor. 

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