Wanderung Tag 42

Igor hat sich heute nach nicht hingelegt sondern ist hinter meinem Zelt bei mir gestanden. Ich kann es verstehen, eine schöne Wiesenkoppel ist im lieber als ein Innenhof. Aber da kommt auch schon der Großvater meines Gastgebers an mit einer Scheibtruhe voll frisch geschnittenen Gras. Das mampft Igor zufrieden in sich hinein und auch ich bekomme Kaffee, Marmelade und zwei Weckerl zum Frühstück. Wir futtern beide unser Frühstück, dann mache ich mich auf den Weg Richtung Mank, wo ich bei Gianna Rose übernachten kann. Wir haben ein paar mal über WhatsApp kommuniziert, sie hat sich schon vor längerer Zeit via Facebook bei Andi gemeldet das sie in der Nähe von Mank einen Übernachtungsplatz für mich hat. Als wir zuletzt telefonierten erwähnte sie das wir uns schon gesehen haben, in Oberpullendorf bei einem Fest der Pannonischen Tafel. Sie sei nämlich die Nichte von Andrea Roschek, der Obfrau der Pannonischen Tafel und ein gute Freundin von mir. Ich falle aus allen Wolken, denn das wußte ich nicht. Was für ein wunderschöner Zufall. Gianna hatte angenommen das mir ihre Verwandtschaft mit Andrea bekannt sei, da ich aber während der Reise selbst nicht auf FB oder Insta bin, habe ich das nicht mitbekommen. Umso mehr freue ich mich jetzt auf den Besuch bei ihr. Sie kann mir eine große Nachbarwiese zur Verfügung stellen, Heu gibt’s leider keines. Aber das ist kein Problem, ich darf mir von Ramona meinen Sack mit Heu füllen den ich Igor auf den Rücken schnalle. Der Sack fasst 80 l und sieht riesig aus, hat aber kaum Gewicht. Aber Igor sieht damit aus wie ein richtiger Packesel. 

 

So machen wir uns auf den Weg. Ramonas Mann hat sich die Route gestern noch genau angesehen und mit ein paar befreundeten Bauern telefoniert ob ich diesen oder jenen Weg, der nicht offiziell ist, benutzen darf. Und so kann ich mir viele Kilometer über Asphalt ersparen und stattdessen auf schönen Wiesen- und Feldwegen gehen. Die Route stimmte bis ins letzte Detail.  

 

Unterwegs, als ich Igor gerade am Wiesenrand grasen lasse, kommt eine Bäuerin aus dem Haus und fragt mich ob Igor etwas trinken möchte und ob ich vielleicht auch etwas will. Gerne stimme ich zu und sie kommt mit einem Kübel Wasser für Igor, Mineralwasser für mich und noch einem Stück Kuchen, das auch für mich ist. Sie fragt mich nach unserer Reise, ist ganz begeistert von Igor und fragt ob sie ein Foto machen darf. Dann bietet sie an auch mit meinem Handy Fotos von uns zu machen, zur Erinnerung. Sie erzählt mir das sie in Mank wohnt und den Hof mit ihrem Mann auf Leibrente erworben hat. Außerdem, erzählt sie mir das sie 5 Kinder hat und das Gastfreundschaft schon immer wichtig für sie gewesen ist. Ich bin total beseelt und freue mich über die spontane Begegnung. Wir verabschieden uns und Igor und ich ziehen weiter. Wenig später überholt uns die Bäuerin mit ihrem Auto aus dem sie fröhlich zum Abschied winkt. Ich winke zurück uns sehe auf der Rückseite des Autos plötzlich den Aufkleber einer Partei, die nicht gerade für ihre Weltoffenheit und schon gar nicht für Toleranz oder Nächstenliebe bekannt ist. Mir bleibt der Mund offen stehen und ich denke lange darüber nach. Hätte ich den Aufkleber vor unseer Begegnung gesehen, hätte ich ohne Zweifel Vorurteile gegenüber der Bäuerin gehabt und sie in eine Schublade gesteckt. Und so hat es sich wieder einmal bewahrheitet, was ich auf der ganzen Reise schon erfahren habe. Nichts ist schwarz oder weiß, niemand ist gut oder böse. Wir sind alle so vielschichtig und wir müssen nicht immer mit allem einverastanden sein was einen Menschen ausmacht. Wir können uns einig sein in manchen Punkten nicht einer Meinung zu sein.

 

Dann lasse ich Igor wieder auf einer Wiese fressen, dazu löse ich den Führstrick und setze mich an den Wiesenrand um ihm zuzusehen. Kurz darauf bleibt ein Auto stehen, eine Frau lässt das Fenster herunter und fragt „Ist er hungrig?“ Ich nehme an das ist eine Frage um ein bisschen zu plaudern und sage „Er ist immer hungrig“. Daraufhin meint sie erbost, das da aber nicht jeder kommen könne und seine Viecher auf der Wiese fressen lassen könne. Ups, damit habe ich nicht gerechnet. Ich erkläre das er maximal fünf Minuten frisst, dann gehen wir eh weiter. Dann frage ich ob die Wiese ihr gehört. „Ja“, sagt sie und schaut verkniffen. Ich wünsche ihr noch einen schönen Tag, schnappe mir Igor und wir gehen weiter. So unterschiedlich können Menschen sein, denke ich mir. Innehalb einer Stunde eine wunderschöne und dann eine weniger schöne Begegnung mit Mitmenschen. 

Dann kommen wir bei Giana an und es ist noch viel schöner als ich es mir vorgestellt habe. Gianna ist Musikerin und hat ein kleines Haus mit Garten in der Nähe von Mank. Ihre Nachbarin hat ihr eine schönes Grundstück zur Verfügung gestelllt das gleich an Giannas Garten angrenzt. Ich bringe Igor hin, stelle mein Zelt auf als Zeichen das wir angekommen sind und schütte sein Heu unter einen Baum. Dann gehe ich rüber zu Gianna und ihrer Freundin die es sich im Garten gemütlich gemacht haben. Obwohl Igor keine anderen Tiere als Gesellschaft hat fühlt er sich total wohl. Er mag es auch wenn Menschen um ihn sind. Und so futtert er auf der einen Seite des Zaunes sein Heu während wir auf der anderen Seite sitzen und Kaffee trinken und Kuchen essen. In der Zwischenzeit kommen auch Nachbarn und Giannas Mutter zu Besuch um Igor zu bewundern. Der lässt sich das gerne gefallen. Er fühlt sich sehr wohl hier auf seiner Wiese mit vielen Schattenbäumen. Bei Gianna kann ich auch meine Sachen gleich in die Waschmaschine geben und mich duschen gehen. Ich fühle mich so richtig willkommen. Mit Giannas Mutter verstehe ich mich auch auf Anhieb sehr gut und wir machen Fotos die wir dann an Andrea schicken. 

 

Gianna macht uns als Abendessen einen griechischen Salat und ich haue voll rein. Ihre beiden Hunde sind die ganze Zeit bei uns und finden Igor sehr aufregend. Für den nächsten Tag steht die Etappe Richtung Loosdorf an. Auch hier habe ich schon einen Übernachtungsplatz über Facebook. Ich habe schon mit meiner Gastgeberin telefoniert bin mir aber nicht sicher ob es so eine gute Idee ist bei ihr zu übernachten. Sie hat nämlich mit ihrem Mann eine ehemalige Landwirtschaft und keinen eingezäunten Bereich. Grundsätzlich habe ich ja meinen mobilen Weidezaun mit, aber lieber ist es mir wenn es einen richtigen Zaun gibt. Dann habe ich auch nach Heu gefragt und auch das gibt es nicht, sie meinte aber sie könne etwas organisieren. Irgendwie fühlt sich das nicht so ganz gut an, ich finde aber keine Alternativen im Netz. Der einzige Stall der in der Nähe ist gibt mir eine Absage und empfiehlt mir bei einer benachbarten Ziegenbäuerin zu fragen. Warum sie mich nicht in ihrem Stall haben möchte sagt sie mir nicht.

 

Ich beschließe für heute nicht weiter zu suchen und den Abend bei Gianna zu genießen. Es wird schon so kommen wie es kommen soll und bis jetzt hat das ja mit den Übernachtungen noch immer gut geklappt. Diesmal wird es auch hinhauen, denke ich mir.

 

Ich schlafe mit vollem Magen und zufrieden im Zelt ein und höre wie Igor neben mir sein Heu frisst.  Das schönste Geräusch auf der Welt.

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