Wanderung Tag 47

In der Früh hat es aufgehört zu regnen, die Wiese ist feut und die ersten Kribbelmücken schon wieder unterwegs. Ich höre Igor mit den Ohren wackeln, ein sicheres Zeichen das ihn die Viecher belästigen. Unter Tags sind sie nicht vorhanden aber in der Dämmerung in der Früh und am Abend dafür sehr aktiv.  Als ich die Augen aufschlage blicke ich direkt auf eine große rote Nacktschnecke. Ich hatte ja schon öfter Schnecken außerhalb auf der Zeltplane, aber dieses Exemplar war im Zelt. Sie dürfte durch meine Löche im Zeltboden gekrochen sein. Zum Glück habe ich immer eine Rolle Klopapier im Zelt und so kann ich das unerwünschte Tier, dessen Schleimspur nun auf der Innenseite meines Zelte ist, hinaus befördern. 

 

Heute geht’s nach Mauternbach zu Edith, die sich über Facebook bei Andi bereit erklärt hat mich zu beherbergen. Sie hat mir auch die Unterkunft bei der Familie gecheckt bei der ich heute übernachtet habe. Ich tippe auf eine sehr resolute und energische Person und freue mich darauf sie kennen zu lernen. Aber zuerst einmal mache ich mich nach einem guten Frühstück mit Marmeladesemmeln auf den Weg. Wie gestern schon geschrieben hat mir der Großvater meiner Gastgeberin schon genau gesagt wie ich am Besten gehen kann. Zuerst geht es wieder durch den Dunkelsteiner Wald, worüber ich mich sehr freue. Aber Igor hat heute Mücken im Hintern und läuft wie ein Schneiderlein. Gerade heute denn der Wald ist voller Himbeeren und ich möchte unterwegs gerne naschen. Aber mein flottes Eselchen möchte laufen. Er hat in den letzten Tagen immer Hafer als Kraftfutter bekommen, was ich grundsätzlich sehr gut finde weil es sehr natürlich ist. Allerdings merkt man an seinem Verhalten das er Hafer gefressen hat. Er wirkt dann wie ein Kind auf zuviel Zucker und ist kaum zu bremsen. Schade, denn diesmal hätte ich gerne mehr Pausen gemacht in dem schönen Wald. Aber Igor bestimmt wie immer unser Tempo und so kommen wir rasch voran.

 

Dann sind wir auch schon aus dem Wald draußen und ein wunderschöner Weg führt uns über sanfte Hügel und dem Waldrand entlang. Wir haben einen herrlichen Ausblick auf die Donau und sogar Stift Göttweig kann ich schon sehen. Es beginnt die Beschilderung des österreichischen Jakobsweges und irgendwie ist es schon ein besonderer Moment für mich. Als mir vor 16 Jahren Edith Renner von ihrem Ritt auf dem Jakobsweg erzählt hat, war das der Auslöser für meinen Traum, einmal eine zeitlich unbegrenzte Wanderung zu machen.  Und damals, da hatte ich noch gar kein eigenes Pferd und wenig Vorstellungen, habe ich mir auch gedacht das ich mal den Jakobsweg mit einem Pferd reiten bin. Jetzt, 16 Jahre später gehe ich mit einem Esel anstatt zu reiten und befinde mich auf dem Jakobsweg. So schön zu spüren wie sich Träume und Ziele ändern dürfen und dennoch im Grundgedanken gleich bleiben. Am Weg begegnen mir auch zwei Pilger, die als solche schon von weitem zu erkennen sind. Sie haben lange Stöcke mit einem Kreuz als Knauf und auch um den Hals baumeln riesige Kreuze. Angetan mit Wanderstiefeln grüßen sie uns fröhlich und fragen nach unserer Wanderung. Als ich ihnen erzähle das ich schon seit fast zwei Monaten unterwegs bin sind sie sichtlich beeindruckt. Ihre Wanderung hat vor zwei Tagen begonnen und sie sind gerade in der Phase wo sich die ersten Blasen bilden. Oh je, ich kann mich noch gut daran erinnern und bin froh mittlerweile in der Hornhaut Phase zu sein. Wahrscheinlich kann ich schon barfuß über Nägel gehen ohne Schaden zu nehmen, so abgehärtet fühle sich meine Sohlen an. 

 

Igor und ich machen einen Abstecher zur Ferdinand Warte, von wo aus man einen herrlichen Ausblick über die Donau hat. Aber meinen unruhigen Esel sticht noch immer der Hafer und so drängt er mich bald dazu wieder weiter zu gehen. Natürlich füge ich mich wie immer. Das letzte Stück nach Mauternbach geht steil bergab, einen schönen Weg entlang. Dann sind wir auch schon in dem kleinen Ort und bald ist der Hof von Edith gefunden. Wir gehen durch das große runde Eingangstor und werden schon freudig begrüßt. Für Igor ist es wieder ein traumhafter Platz. Edith hat ihm die ganze Wiese vor ihren beiden Pferden zur Verfügung gestellt. Lediglich der Bereich wo die ca. 20 Marillenbäume stehen ist abgetrennt, worüber ich sehr froh bin. Igor darf schon ein paar Marillen fressen, aber was von 20 Bäumen herunterfällt ist auf jeden Fall zu viel Zucker für ihn. Edith war gerade dabei die abgefallenen Marillen zusammen zu klauben um sie am Abend zu einem Schnapsbrenner zu bringen. Aber als ich ankommen unterbricht sie ihre Arbeit und wir futtern zusammen eine Wassermelone. Edith ist, wie ich schon vermutet habe, ein echtes Original. Ursprünglich aus Tirol ausgewandert, war sie als LKW Fahrerin tätig und ist genauso resolut und herzlich wie ich sie mir vorgestellt habe. Igor hat sich in den Stallbereich zurückgezogen und döst während ich Edith helfe die Marillen aufzuklauben. 

 

Als Abendessen hat sie mir extra vegane Käsegriller besorgt, und fürs Frühstück morgen vegane Extrawurst. Ich finde das so unglaublich nett, weil sie sich ja selbst nicht vegan oder vegetarisch ernährt. Sie erzählt mir viel aus ihrem Leben, zeigt mir das Haus, ein alter Hof und fragt mich auch gleich ob sie meine Wäsche waschen soll. Gerne sage ich zu, bei dieser Hitze sind meine T-Shirts schnell durchgeschwitzt. Und so vergeht der Nachmittag wie im Flug und wir leisten zu Zweit Igor Gesellschaft. Auf das Abendessen freue ich mich auch schon, obwohl ich den ganzen Nachmittag über schon unzählige Marillen gefuttert habe. Die Käsegriller gehen aber auf jeden Fall auch noch und sie haben wunderbar geschmeckt. 

Ich habe mein Zelt im Garten aufgestellt und schlafe trotz meines vollen Bauches und den vielen Marillen sehr gut. Igor ist zu mir auf die Wiese gekommen und frisst neben dem Zelt. Zu diesem Geräusch kann ich am Besten einschlafen. 

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