Wanderung Tag 54

Ich wache wieder früh auf und versorge Igor mit einer frischen Portion Heu und lebe mich nochmal ein bisschen in den Schlafsack. Nach einiger Zeit höre ich auch schon Renate im Garten, sie ist also auch eine Frühaufsteherin. Sie pflückt im Garten Wildkräuter für ihren Smoothie und bietet mir auch ein gesundes Getränk an. Das lehne ich aber dankend ab weil ich ein bisschen Bedenken habe das das meine Verdauung ein bisschen zu sehr anregen könnte weil so viel Obst und Gemüse auf einmal nicht mehr gewohnt bin.  Sie lädt mich ein zu Frühstück ein und ich nehme das Angebot nehme ich gerne an.

 

Renate setzt sich zu mir währen dich meine Marmeladebrote verspeise und wir plaudern über die Reise und über Igor. Obwohl ich so oft zur Wanderung gefragt werde nervt mich das kein bisschen. Ich erzähle sehr gerne denn auch die Fragen sind jedes Mal ein bisschen anders gestellt. Genauso erzähle ich jedes Mal unbewusst ein bisschen aus einer anderen Perspektive, je nachdem wer fragt. Renate ist ein sehr spiritueller Mensch und gerade bei ihr merke ich das ich tiefer gehe mit meinen Antworten und dabei selbst erst während ich mit ihr spreche bemerke das ich ständig reflektiere. Das finde ich sehr schön. Nach dem Frühstück zeigt sie mir noch ihren Steinkreis, den sie vor kurzem mit ihrem Mann gebaut hat. Ein schöner Ort mit großen Steinen aus dem Waldviertel und umgeben von mächtigen Eichen.

 

Auf meiner Wanderung habe ich bemerkt das ich immer mehr ein Gespür für Orte bekommen habe. Da war ich vorher nicht so empfindlich aber jetzt bemerke ich das ich viel mehr wahrnehme, Positives wie auch Negatives. Im Waldviertel war es zum Beispiel sehr stark wenn ich an Rinderstallungen vorbei ging. Es war für mich kaum auszuhalten die Tiere im Stall zu sehen, meist verdreckt und auf engstem Raum. Die Kälber waren weit weg von den Müttern in den separaten Kälberiglus damit die Milch welche eigentlich von Natur aus für die jungen Kühe gedacht ist, vom Menschen entnommen werden kann. Über all dem lag der Geruch von Gülle, die auf den kurz abgemähten Wiesen ausgebracht wurde und Silage zu der das Gras verarbeitet wird. Mehr als 7 Tage bin ich durchs Waldviertel gegangen und habe kaum ein Rind außerhalb des Stalles gesehen. Das hat mich sehr berührt und bewegt. Wenn man zu Fuß unterwegs ist nimmt man solche Zustände viel intensiver wahr als wenn man mit dem Auto vorbeirauscht.

Und so konnte ich auch den friedlichen ruhigen Ort von Renate und ihrem Mann sehr gut fühlen und aufnehmen. Der heutig Weg führt mich zu Vroni und dem Übernachtungsplatz den mir die beiden Bauern vor wenigen Tagen vermittelt haben.

 

Ich gehe von Renate los und bemerke das Igor heute außergewöhnlich hungrig ist. Er frisst die ganze Zeit, auch während ich ihn am Strick führe. Sobald ich aus dem Ort draußen bin lasse ich ihn frei damit er wieder in Ruhe grasen kann während wir gehen. Wir müssen aber durch Maria Anzenbach, ein größerer Ort wie mir mein Navi sagt, dort muss ich ihn wieder an den Führstrick nehmen. Ich habe überlegt den Ort zu umgehen, mich dann aber umentschieden. Igor ist so entspannt in Ortschaften, außerdem ist Montag ,denke ich mir, und wenig Verkehr. Danach kommt dann der Wienerwald und Wiesen, da haben wir mehr Zeit für Pausen in denen Igor in Ruhe fressen kann.  Und so gehen wir in den Ort bzw die kleine Stadt wie sich bald herausstellt. Zunächst gehen wir durch ein Wohngebiet mit ganz wenig Verkehr. Dann kommt  die erste Hürde, die Stiegenpromenade. .Wie der Name schon sagt, eher weniger für einen Esel geeignet, also machen wir einen Umweg über die Straße. Das stellte kein Problem dar aber kaum haben wir die Stiegen umgangen sehe ich vor uns eine Baustelle mit einer abgesperrter Straße. Aber auch das kann Igor nicht erschüttern. Er kennt mittlerweile auch den Lärm von Baustellen und den Geräten. Es stört ihn nicht, macht aber mich ein bisschen nervös. Als Fußgänger dürfen wir durch die Baustelle durch die sehr lang ist und uns viele Kommentare von den Arbeiten einbringt.  

 

Je nach Naturell machen sie Fotos und lächelten uns an, viele reißen aber Standard Eselwitze die ich ignorierte.  Nur noch über den Bahnübergang, sage ich zu Igor, dann sind wir aus der Stadt draußen und suchen uns eine Wiese. Wir gehen noch über den Hauptplatz an einer großen Kirche vorbei. Es ist immer ein bisschen schwierig für mich in einer Stadt denn in einer Hand halte ich das Handy mit dem Navi, in der anderen Igors Führstrick und dann muss ich noch auf den Verkehr und die Fußgänger achten und Fragen beantworten. Wie immer ist Igor da wesentlich gelassener als ich. Er versucht nur nach jedem Grashalm zu schnappen den er irgendwo sieht. Auch der Löwenzahn der zwischen den Pflastersteinen durchwächst regt heute seinen Appetit an. Das macht es für mich nicht leichter, denn ich will möglichst rasch raus und wieder ins Grüne.

 

Aber da ist das nächste Hindernis für uns, der Bahnhof. Diesmal kann ich nicht einfach über die Gleise gehen, es gibt nämlich eine Unterführung mit Stiegen hinunter und wieder hinauf. Das geht mit Igor auf keinen Fall. Neben uns mähen drei Gemeindearbeiter die Böschung und beachten uns nicht. Trotzdem gehe ich hin und frage wie man den Bahnhof umgehen könnte bzw. ob es irgend eine Möglichkeit gibt mit einem Esel die Gleise zu überqueren. Sie zucken nur mit den Achseln und deuten auf die Unterführung. Ich Suche auf meiner Wanderapp eine Stelle wo die Straße über die Gleise führt, denn dann kann ich auch drüber. Ich muss die ganze Strecke durch den Ort zurückgehen, es geht nicht anders. Die App ist natürlich für Fußgänger gemacht  und und nicht für einen Esel. Natürlich schlägt sie mir immer die kürzesten Routen vor, so auch jetzt wieder durch den Kirchengarten im Ort. Auch das geht nicht weil es wieder viele Stiegen gibt die ich mit Igor nicht gehen will. Schön langsam bricht mir der Schweiss aus, vor allem als ich wieder durch die Innenstadt muss und an der Baustelle vorbei. Noch mehr Eselwitze…. Aber dann habe ich es geschafft, ich sehe eine Unterführung für Autos, juhhu und dann das Schild „Sackgasse“. Das Herz rutscht mir nochmals in die Hose. Bitte lass es eine Sackgasse sein die nur für Autos gilt aber nicht für Fußgänger und bitte ohne Schranken für Fahrräder am Ende. Und diesmal habe ich Glück und es geht nach der Unterführung endlich in den Wald. Ich bin erleichter und löse sofort Igors Führstrick.

 

Denn auch er spürt, durch die Verbindung mit mir und erst recht durch den Führstrick der an seinem Halfter baumelt, wenn ich hektisch und nervös werde. Und dann gehen wir durch den wunderschönen Wienerwald. Es ist genauso wie ich es mir vorgestellt habe und Igor fühlt sich sehr wohl hier. Ich habe mir schon gedacht das er den Wienerwald mögen wird. Er sieht ganz anders aus als bei uns oder auch im Wald- oder im Mühlviertel. Ich mag diese unterschiedliche Art von Wäldern die wir schon durchquert haben und den hier ganz besonders. Die hohen Buchen, schöne Wege und wenig Unterholz sodass man auch weit in den Wald hineinsehen kann. Igor schätzt das scheinbar auch vor allem das es zwischendurch immer wieder Wiesen gibt an denen er fressen kann. Schon fast an meinem Ziel angekommen führt der Wanderweg plötzlich durch ein Privatgrundstück, das mit einer Eisenstange abgesperrt ist. Rechts und links, an den Pfosten, an denen die Stange befestig ist befinden sich aber Wandermarkierungen die eindeutig auf den Weg durch das Grundstück weisen. Ich schaue ob sich die Stange entfernen lässt und tatsächlich, es geht. Ich hebe sie an sodass Igor durch kann und nehme ihn sofort an den Führstrick. Ich vermute freilaufende Rinder oder sonstige große Tiere, kann aber nichts sehen. So gehe ich eilig weiter um rasch wieder auf öffentlichen Grund zu kommen. Und da ist auch schon der Ausgang. Diesmal wieder mit einer Eisenstange die diesmal angeschraubt ist und daneben eine schmale Tür durch die ich gehen kann, Igor aber nicht. Na geh, denke ich und will nicht wieder umdrehen müssen. Deshalb inspiziere ich die Schrauben und kann sie tatsächlich mit den Fingern bewegen. So schraube ich die Stange ab, lasse Igor durch und befestige sie genauso wieder wie sie war. Dann gehen wir die letzten Kilometer ohne weitere Hindernisse bis zu Vroni.

 

Sie freut sich uns zu sehen und hat den gesamten Hof ihres alten Bauernhauses für Igor abgesperrt. Im Hof wächst genügend Gras sodass sich Igor gleich ans Fressen macht. Auch Heu holen wir von ihren Gastpferden und Wasser bekommt er natürlich auch. Dann werde ich mit Kaffee versorgt und Vroni fragt mich nach meiner Reise bevor ich sie auffordere mir von sich zu erzählen. So vergeht der restliche Nachmittag und wir essen gemeinsam zu Abend. Dann gehe ich bald schlafen, ich bin von dem anstrengenden Tag sehr müde geworden. Igor wird gegen Abend hin immer unruhiger und ich weiss nicht was los ist. Auch in der Nacht ist er nicht so ruhig wie sonst. Im Hof stehen einige Blumenkübel herum und ständig schmeißt er einen der Kübel um oder macht sonst irgendwelchen lärmenden Schabernack. So kenne ich ihn gar nicht und natürlich macht mich das auch unruhig sodass ich ganz schlecht schlafe und immer wieder nachsehen gehe. Igor steht immer mit gespitzten Ohren da und lauscht auf Geräusche die ich nicht wahrnehmen kann. Aber auch Igor nimmt Stimmungen auf, so wie ich und möglicherweise liegt auch etwas in der Luft das ihn beunruhigt. Und so bin ich froh das es endlich Tag wird und ich bald aufbrechen kann.

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