Wanderung Tag 56

Ursprünglich wollte ich ja von Klausen-Leopoldsdorf nach Alland gehen. Dort hätte ich eigentlich schon eine Übernachtungsmöglichkeit gehabt, vermittelt von Christine, der Tierärztin aus Herzogenburg wo ich auch einen Pausetag eingelegt habe. In diesem Stall war die Stallbesitzerin aber gerade auf Urlaub und ihre Mutter hat in der Zwischenzeit alles übernommen. Igor und ich hätten dort bleiben können, hatte aber das Gefühl das es ein bisschen aufwendig gewesen wäre und die Mutter nicht so ganz glücklich über meinen Besuch war. Elisabeth und ihre Freundin haben mir deshalb den Stall von Tina in Nöstlach empfohlen und so habe ich dort angerufen. „Kein Problem, du kannst kommen“, meinte Tina und damit war das fixiert. Ich sagte in Alland ab und änderte die Route Richtung Nöstlach. Mit Elisabeth, die sich dank zahlreicher Hundespaziergänge wirklich gut auskennt, checke ich die Route auf meiner Wanderapp. Sie konnte mir, um einige Kilometer Straße zu vermeiden, einige gute Tipps für eine Alternativroute geben, die das Navi gar nicht kannte. Damit ich auch ganz sicher den Weg finde, geht sie schon in der Früh mit ihren Hunden ein Stück die Strecke entlang die ich gehen muss und markiert mir die wichtigste Abzweigung mit einem Pfeil aus Ästen.

 

Als sie zurückkommt frühstücken wir noch miteinander, Igor hat natürlich schon ganz früh sein Frühstücksheu bekommen und dann geht’s los. Heute wird es sehr heiß werden aber die ersten Kilometer führen durch den Wald wo es schön kühl ist. Ich finde die Pfeilmarkierung und weiter geht es über einen schönen Wiesenweg direkt in den Ort Klausen-Leopoldsdorf. Igor und ich gehen durch den Ort, über uns wieder die Autobahn deren Unterquerung überhaupt keine Herausforderung mehr für Igor ist. Dann kommen wir auf einen Platz auf dem ein Zelt für ein Feuerwehrfest aufgestellt wird. Da müssen wir durch und auch hier hat Igor kein Problem einfach in das Zelt hineinzugehen und auf der anderen Seite wieder heraus.

 

Dann biegen wir auf eine wenig befahrene Straße die aus Klausen-Leopoldsdorf hinausführt. Die geht jetzt mehrere Kilometer, aber es ist schön zu gehen, ein kühler Wind weht durch und ich genieße die Wanderung. Es ist wirklich sehr heiß und gleich am Beginn der Straße sehe ich einen Isländer Stall und einen Mann der dort offenbar arbeitet. Ich gehe mit Igor hin, der mir wieder frei folgt. Ich rufe dem Mann zu ob ich etwas zu trinken für meinen Esel bekommen könnte. Er antwortet zunächst nicht und ich frage nochmals. Vielleicht hat er mich ja nicht gehört. Er wendet sich mir zu und grunzt unfreundlich „Jaaa“. Er dreht sich um und geht Richtung Stallgasse. Ich gehe mit, Igor bleibt draußen vor dem Schranken stehen. Im Stall ist scheinbar eine normale Wasserleitung, der Mann füllt, ohne ein Wort mit mir zu wechseln einen Kübel mit Wasser. Ich nehme meine Trinkflasche aus meinem Rucksack trinke den letzen Schluck und halte sie vor den Augen des Mannes unter den Wasserstrahl. Da er nichts sagt gehe ich davon aus das es Trinkwasser und kein Brunnenwasser ist. Er drückt mir den vollen Kübel in die Hand, dreht sich um und geht wortlos weg. Ein seltsamer Zeitgenosse denke ich mir und amüsiere mich darüber. Wer weiss was ihm über die Leber gelaufen ist. Ich bringe den Kübel zu Igor und er trinkt gierig fast alles aus. Hatte ich also recht, Eselchen war durstig. Ich bringe den Kübel zurück und wir gehen weiter. Klausen-Leopoldsdorf ist definitiv der Ort mit den meisten privaten Pferdebesitzern den ich bisher auf meiner Strecke gesehen habe. Fast neben oder hinter jedem Haus sind Koppeln. Das macht die Straße, auf der uns nur drei Traktoren begegegnen die zum Heumachen unterwegs sind, zu einer abwechslungsreichen Strecke. Ich schaue mir die Häuser und die Pferde an, Igor läuft frei und futtert Gras.

 

Ich bin durstig, öffne meine Trinkflasche und nehme einen Schluck. Schon im Mund bemerke ich das mit dem Wasser etwas nicht stimmt. Es schmeckt komisch und als ich mir die Flasche genauer ansehe ist das Wasser darin auch trüb.  Ich ärgere mich, hätte mir der Typ nicht sagen können das das kein Trinkwasser ist? Er hat doch gesehen das ich meine Flasche aus dem Rucksack gezogen habe und das dieses Wasser offenbar für mich bestimmt war. Ich schütte den Rest weg und spüle die Flasche beim Gartenanschluss von einem der Häuser gut aus.  Natürlich habe ich vorher gefragt ob ich das darf und ob es Trinkwasser ist.

 

Dann gehen wir weiter. Neben uns hält ein Auto der Bundesforste und die beiden Männer darin fragen wohin es geht. „Nach Nöstlach“ sage ich ihnen und wie schon oft wenn Männer nach meinem Weg fragen kommt zuerst einmal. „Da bist aber ganz falsch.“ Davon lasse ich mich nicht beirren, ich vertraue auf Elisabeth und auch mein Navi zeigt klar an das ich am richtigen Weg bin, wenn auch noch einige Kilometer entfernt. Ich zeige ihm meine App die er kritisch beäugt und dann aber einräumen muss das ich am richtigen Weg bin. Aber natürlich hätte er eine kürzere Strecke gewusst. Ich zucke mit den Achseln, amüsiere mich innerlich das er einfach nicht zugeben kann sich geirrt zu haben, und Igor und ich gehen weiter. Über uns ziehen schön langsam dunkle Wolken auf und es sieht nach Gewitter aus. Ich hoffe das sie sich wieder auflösen oder es zumindest nur bei Regen bleibt. Jetzt endet die lange Straße und mein Weg führt mich in den Wald. Es ist eine schöner Weg, bergauf und bergab, so wie ich es mag.

 

Teilweise einer Forststraße entlang, dann aber wieder auf schmalen Pfaden über Wiesen und durch Büsche. Ich ziehe Igor die Hufschuhe aus die er am Asphalt getragen hat denn es gibt einige sumpfige Stellen an denen er sie leicht verlieren könnte. Er macht einige Hüpfer und Sprünge über diese Stellen und ist motiviert unterwegs. Das Gewitter grollt in der Zwischenzeit sehr deutlich, aber noch ist es nicht über uns. Als ich wieder einmal, nach einer steileren Bergabstrecke Igors Satteltaschen kontrolliere bemerke ich, dass er offenbar schon vor längerer Zeit, Einiges verloren hat. In den Außentaschen steckte nämlich der Insektenspray, der Faltkübel und in den Faltkübel gewickelt seine Fellbürste und der Hufkratzer. So ein Mist, alles weg. Wahrscheinlich schon vor längerer Zeit denn ich kann den grellorangen Faltkübel nirgends entdecken. Zurückgehen kommt aber auch nicht in Frage, das wäre zu weit und ich weiß auch nicht wo Igor die Sachen aus den Taschen gefallen sind. Na ja, denke ich, es sind ja nur noch wenige Tage und ich bin zu Hause. Bis dahin kann ich mir die Sachen sicher ausborgen die mir jetzt fehlen. Und so gehen wir weiter und noch immer bleiben wir verschont vom Gewitter.

 

Ich freue mich schon sehr auf Zuhause und kann es kaum noch erwarten wieder auf Hof-Sonnenweide zu sein bei Andi und den Hunden und all den anderen Tieren. Je näher ich komme desto größer wird die Sehnsucht und das Heimweh. Ich nehme mein Handy aus der Tasche und rufe Andi an. Normalerweise mache ich das nicht während ich gehe, aber jetzt tue ich es. Wir telefonieren und ich achte natürlcih nicht auf den Weg. Auf einem steilen geschotterten Stück rutsche ich aus, falle auf die Knie und ziehe mir schmerzhafte Abschürfungen zu. Das hab ich jetzt davon, selber schuld. Es ist das erste Mal das ich während der letzten beiden Monate hingefallen bin. Ich packe das Handy weg und versuche die Blutung zu stillen. So schlimm ist es zum Glück nicht, es sieht nur sehr unschön aus. Dafür hat sich das Gewitter wieder verzogen und wir sind nicht nass geworden. Wir kommen aus dem Wald heraus auf kleine Straßen. Vor mir breiten sich malerisch die bewaldeten Hügeln des Wienerwaldes aus und ich kann auch schon den Peilstein erkennen. Wir gehen an einigen Höfen vorbei, bei vielen gibt es auch Pferde. Jetzt ist es nur noch ein kurzes Stück bis zum Stall von Tina. Ich nehme Igor an den Führstrick, es sind einige Traktoren unterwegs. Plötzlich bleibt Igor stehen und spitzt die Ohren. Und bevor ich noch recht bemerke was los ist stürmen zwei große Hunde auf uns zu mit viel Gebell und heraushängender Zunge. Igor reisst sich los und galoppiert erschrocken ein paar Meter davon, verfolgt von den Hunden. Ich sehe eine Frau die mir zuruft das sie die Hunde nichts tun. Sie tun sehr wohl was sage ich ihr, sie erschrecken meinen Esel. Die Frau will zu Igor gehen, der nach wenige Metern stehen geblieben ist und schon wieder am Gras rupft. Ich rufe ihr zu sie soll Igor in Ruhe lassen und sich um die Hunde kümmern. Die hüpfen immer noch laut bellend herum. Sie versucht die beiden mit mäßigem Erfolg zu beruhigen und zu sich zu rufen. Ich gehe zu Igor, nehme seinen Führstrick und gehe wortlos weiter. Was soll ich denn auch groß sagen. Die Frau murmelte eine Entschuldigung und ich winke ihr zu. Ich bin so froh über Igor und sein ruhiges Gemüt. Das er nur wenige Meter nachdem er so erschreckt wurde stehen bleibt ist einzigartig. Er lässt sich gelassen weiterführen und wir sehen nach ein paar Minuten schon Tinas Koppeln. Die Pferde reagieren nervös auf Igor und laufen uns entlang des Zaunes nach. Dann sind wir auch schon beim Stall angekommen. I

 

gor bekommt den großen Laufstall der Tinas Pferden als Winterquartier dient und der jetzt im Sommer leer steht. Herrlich ist das, der Laufstall hat Blick auf den Peilstein und es ist wunderschön. Igor fühlt sich sehr wohl und ich auch. Tina und ihre Familie warten gerade darauf das die Heulieferung kommt. Sie mussten unterbrechen weil zweimal ein Gewitter aufzog aber jetzt ist es soweit. Jeden Moment können die Traktoren mit den Rundballen kommen die dann am Heuboden geschlichtet werden. Ich biete an zu helfen und gehe auch auf den Heuboden. Zusammen rollen wir die Ballen auf ihre Position. Dann kommen zwei Freunde von Tina die auch helfen und ich gehe zurück zu Igor und setze mich zu ihm. Tina und ihre Familie kommen ursprünglich aus Wien und sind dann nach Nöstlach gezogen. Hier hat sie einen Einstellbetrieb und ist selbst leidenschaftliche Dressur Tunierreiterin. Nachdem sie mit dem Einschlichten der Ballen fertig sind zeigt mir Tina wo ich mich Duschen kann. Der Abfluss der Stalldusche ist kaputt aber man kann einen Schlauch an der Armatur montieren sodass ich mich draußen warm duschen kann. Es kommen keine EinstellerInnen mehr und auch Tina und ihre Familie wohnen woanders sodass mich niemand stört. Ich mache mir ein Abendessen aus Bulgur und getrocknetem Gemüse. Ein bisschen Wasser ist in das Gemüse gekommen während meiner Reise und ich hoffe das nichts geschimmelt ist.

 

Aber ich hab eh einen Saumagen, denke ich mir, das wird schon passen. Da es möglicherweise in der Nacht noch gewittern könnte stelle ich mein Zeit im Laufstall und nicht unter freiem Himmel auf. Tina hat mir einen Hufkratzer und eine Bürste geschenkt, wie jeder Pferdebesizerin hat sie alles in mindestens doppelter Ausführung und kann mir deshalb die zwei Utensilien abgeben.

 

Ich kraule Igor und wir genießen die Stille und Ruhe nur zu zweit. Bald lege ich mich ins Zelt und schlafe ein, mit viel Sehnsucht nach Hof-Sonnenweide im Herzen. Um Mitternacht werde ich von einem der stärksten Gewitter wach die ich jemals gesehen habe. Es blitzt, donnert und schüttet das es richtig beängstigend ist. Ich kann Igor nirgens im Laufstall entdecken. Als ich ins Zelt ging war er noch neben mir und hat Heu gefressen. Ich knipse meine Stirnlampe an und da steht er vor dem Stall im ärgsten Regen und lässt ihn sich ungerührt auf das Fell prasseln. Na gut, denke ich wenn er das so will.. Ich lege mich zurück ins Zelt und kann wegen des Gewitters nur mehr schwer einschlafen. Nach ca. einer Stunde ist es endlich vorbei und ich döse endlich wieder ein.

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